Seit Mitte des letzten Jahres bestimmt das Thema Flüchtlinge die Schlagzeilen unse-rer Medien in Deutschland. Tausende Menschen kommen täglich über die Grenzen, um Zuflucht bei uns zu finden. Wie können wir sie adäquat unterbringen? Wie wer-den sie innerhalb Europas verteilt? Wie integrieren wir sie bei uns? Und: Wer darf überhaupt bleiben? Das sind die Fragen, die unsere innenpolitische Debatte domi-nieren. Die Organisatorinnen und Organisatoren des Afrika-Festivals haben es sich zum Ziel gesetzt, unsere europa-zentrierte Wahrnehmung ein wenig zurechtzurü-cken. So beleuchtet das Festival nicht nur die Ursachen von Flucht und Migration. Es lenkt auch die Aufmerksamkeit auf jene afrikanischen Länder, die selbst Flüchtlinge aufnehmen. Denn nur ein kleiner Anteil der weltweiten Flüchtlinge kommt zu uns nach Europa. Die meisten suchen im eigenen Land Schutz oder finden in den Nach-barländern Aufnahme. Den Großteil der Verantwortung für die Aufnahme von Flücht-lingen tragen also jene Staaten, die unmittelbar an die Konfliktzonen angrenzen; vie-le von ihnen sind selbst Entwicklungsländer.
Wanderungsbewegungen hat es in der Geschichte schon immer gegeben. Neu ist jedoch die Dimension: 60 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht, und Forscher sagen voraus, dass es in den nächsten Jahrzehnten noch mehr wer-den: Neben Krieg und Gewalt, Verfolgung und Unterdrückung, Armut und Perspektiv-losigkeit wird der Klimawandel viele Menschen zwingen, ihre Wohngebiete zu verlas-sen. Flucht und Migration werden das 21. Jahrhundert prägen. Es wird deshalb nicht reichen, wenn wir allein nach innenpolitischen Antworten auf diese Herausforderung suchen: Grenzsicherung, Zuwanderungsgesetze und Aufenthaltsregelungen sind ohne Zweifel wichtige Instrumente der Politik. Aber noch stärker als bislang müssen wir unsere Außen- und Entwicklungspolitik nutzen.
Ein großer Schritt in die richtige Richtung sind aus meiner Sicht die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs), auf die sich die internationale Staatenge-meinschaft im letzten Jahr verständigt hat. Erstmals haben alle Staaten anerkannt, dass nicht nur die Süd-Länder sich nachhaltig entwickeln müssen, sondern wir, die reichen Industriestaaten im Norden, uns auch. Von dem Bewusstsein der gemeinsa-men Verantwortung für unsere Welt ist auch der Pariser Klimavertrag vom Dezember letzten Jahres getragen. Diese internationalen Abkommen machen deutlich, dass wir alle gefordert sind: die Länder, die Zivilgesellschaft, die Kirchen, jeder Einzelne von uns. Und vor allem müssen wir unseren Blick weiten, über unsere eigene Gesell-schaft hinaus. Ich freue mich daher, dass es in Nordrhein-Westfalen aktive Vereine wie die Afrika Kooperative e.V. gibt, die diesen Gedanken leben. Mein Dank gilt den Organisatorinnen und Organisatoren des Afrika-Festivals. Allen Besucherinnen und Besuchern wünsche ich eine interessante und informative Veranstaltung!
Franz-Josef Lersch-Mense
Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei